Interview Brian Kateman
Der Begründer der „Reducetarian“-Bewegung über den Umstieg auf eine tierfreundliche Lebensweise
Brian Kateman ist Gründer und Vorsitzender der Stiftung „The Reducetarian Foundation“, Buchautor von „The Reducetarian Solution“ und der Mann, der hinter dem Begriff „Reducetarian“ (Reduzierer) steckt. VIER PFOTEN mit ihm darüber gesprochen, was genau ein „Reducetarian“ ist, was sich hinter diesem Ansatz verbirgt und welche Rolle hierbei der Tierschutz spielt.
Welche Rolle hat Fleischkonsum für eine nachhaltige Lebensweise und was bedeutet das für den Tierschutz?
Der übermäßige Konsum von tierischen Produkten trägt zur Verschlechterung unserer Umwelt bei, ist Grund warum Tiere so schlecht gehalten werden, Ursache vieler Gesundheitsprobleme und mitverantwortlich für globale Krisen wie den Welthunger. Unsere Kultur ist geradezu besessen davon, Fleisch zu essen, für das Milliarden Tiere sterben müssen. Durch die „Reducetarian Movement“ (Anmerkung: auf Deutsch „Reduzierer-Bewegung“) versuche ich, das nun zu ändern.
In Ihrem Buch „The Reducetarian Solution“ erläutern Sie, warum es für die Tiere, die Gesundheit und den Planeten besser ist weniger Fleisch, Milch und Eier zu essen. Wann haben Sie begonnen, Ihre Ernährung umzustellen?
Als Student habe ich mich immer um unsere Umwelt gesorgt. Ich war derjenige, der sich auf dem Campus für „kürzeres Duschen“ oder Recycling in der Kantine eingesetzt hat. Irgendwann später erfuhr ich dann, welche negativen Umweltauswirkungen mit dem Fleischkonsum zusammenhängen und da war es dann soweit und ich habe meine Ernährung umgestellt. Ich wurde direkt Vegetarier auf dem Weg zum Veganer. Es war super, denn durch die Ernährungsumstellung fühlte ich mich gesünder, fitter, hatte mehr Energie und mir gefielen die pflanzlichen Gerichte.
Das einzige Problem war, dass ich mich selber immer wieder dabei ertappte wie ich „rückfällig“ wurde. Ich kann mich noch gut an eine Situation erinnern, wo mir mein Vater an Thanksgiving ein Hähnchenschenkel reichte und meine Schwester dann sagte „Ich dachte, du bist Vegetarier?“. Ich erklärte ihr und dem Rest der Familie, dass Perfektion hier nicht das Ziel sei und es nicht um „alles oder nichts“ geht, sondern dass jedes pflanzliche Gericht ein Schritt in die richtige Richtung ist, weil es gesünder, umweltfreundlicher und besser für die Tiere ist.
Ich bemerkte, dass meine Argumentation etwas defensiv klang und entschloss daher, an meiner Begründung zu feilen – weg vom Vegetarier mit den faulen Ausreden und hin zu einer positiven Formulierungsweise.
Das einzige Problem war, dass ich mich selber immer wieder dabei ertappte wie ich „rückfällig“ wurde. Ich kann mich noch gut an eine Situation erinnern, wo mir mein Vater an Thanksgiving ein Hähnchenschenkel reichte und meine Schwester dann sagte „Ich dachte, du bist Vegetarier?“. Ich erklärte ihr und dem Rest der Familie, dass Perfektion hier nicht das Ziel sei und es nicht um „alles oder nichts“ geht, sondern dass jedes pflanzliche Gericht ein Schritt in die richtige Richtung ist, weil es gesünder, umweltfreundlicher und besser für die Tiere ist.
Ich bemerkte, dass meine Argumentation etwas defensiv klang und entschloss daher, an meiner Begründung zu feilen – weg vom Vegetarier mit den faulen Ausreden und hin zu einer positiven Formulierungsweise.
Wie unterscheiden sich Flexitarier von den von Ihnen sogenannten „Reducetarians“?
Ein „Reducetarian“ ist jemand, der bewusst weniger Fleisch (Rind, Schwein, Hühnchen, Fisch und Meeresfrüchte), Milch und Eier isst – egal in welcher Menger oder aus welchen Gründen. Um herauszufinden, was am besten funktioniert, probiert ein „Reducetarian“ verschiedene Dinge aus, wie den „Meatless Monday“, kleinere Proteinportionen tierischen Ursprungs, Vegetarismus und Veganismus. Das Konzept ist einfach ansprechend, weil nicht jeder bereit ist nur einer Ernährungsweise zu folgen. Der Ansatz des Reduzierens beinhaltet andere Ernährungsweisen: Veganer (keine tierischen Produkte), Vegetarier (kein Fleisch), Semi-Vegetarier (wenig Fleisch) sowie auch Flexitarier und jeden, der den Konsum von tierischen Produkten in seiner Ernährung verringert.
Kann diese Ernährungsweise als Sprungbrett gesehen werden, um später Vegetarier oder Veganer zu werden? Denken Sie nicht, dass viele Menschen es als die einfachere Lösung vorziehen, anstatt direkt ganz auf Fleisch, Milch oder Eier zu verzichten?
Es gibt keinen Zweifel daran: Die vegane Ernährung ist die beste Möglichkeit, tierische Produkte vom Speiseplan auszuschließen. Diejenigen, die sich dadurch eingeschüchtert fühlen, sollen aber nicht nichts tun. Ich möchte sie ermutigen Fleisch, Milch und Eier häufiger nicht zu essen. Veganes Essen ist für jedermann, nicht nur für Veganer. Wie bereits gesagt, ist der Konsum tierischer Produkte keine „alles oder nichts“-Prämisse, vielmehr sollte jedes pflanzliche Gericht gefeiert werden. Verschiedene Studien zeigen, dass Menschen, die weniger Fleisch essen, ihr Verhalten ändern und öfter Vegetarier werden. Hingegen entscheiden sich Menschen, die sich bereits vegetarisch ernähren, häufiger für die vegane Ernährung. Eine moralische Entscheidung zu treffen ist ein langsamer Prozess, deshalb sollten wir versuchen, es morgen ein bisschen besser zu machen als heute. Das ist wichtiger als sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie eine perfekte Welt aussehen könnte.
Wie verbreiten Sie Ihre Botschaft?
Neben unserer Kampagne arbeiten wir an verschiedenen Projekten, um die „Esst weniger Fleisch“-Nachricht voranzutreiben. Diese beinhalten ein Kochbuch, ein Animationsvideo, eine App, Workshops und eine Studie, die die Effektivität verschiedener Botschaften beleuchtet.
Warum, denken Sie, werden sogenannte Nutztiere anders behandelt als Haustiere?
Wir sind mittlerweile so distanziert von der Lebensmittelproduktion, dass wir den Blick dafür verloren haben, dass Fleisch eigentlich vom lebenden Tier stammt. Die industrialisierte Fleischindustrie arbeitet aktiv daran, diese Trennung zu fördern. In Wirklichkeit wissen wir, dass Schweine und Hühner genauso liebenswerte Tiere sind wie Hunde und Katzen. Wenn wir mehr Zeit mit ihnen verbringen würden, wüssten wir, dass sie Vorlieben haben und Freude, aber auch Schmerz empfinden. Die Mehrheit hat aber keine Erfahrungen mit Nutztieren und genau diese Distanz zum Tier verhindert, die kognitive Dissonanz zu brechen (zum Beispiel warum wir manche Tiere essen und andere lieben).
Glauben Sie, dass „Clean Meat“ (Laborfleisch) die Lösung für die Zukunft und ein effektiver Teil Ihrer „Reducetarian Movement“ ist?
Trotz der vielen ökologischen und gesundheitlichen Gründe, Tierprodukte zu reduzieren, werden Lebensmittel nach dem Preis, dem Geschmack und der Zubereitung eingekauft. Deswegen ist es heute umso spannender, dass es immer mehr pflanzliche Alternativen im Supermarkt gibt – in den USA zum Beispiel die von Hampton Creek, Beyond Meat, und Impossible Foods. Die steigende Verfügbarkeit und große Auswahl pflanzlicher Produkte unterstützt dabei die Entscheidung ein „Reducetarian“ zu werden.
Was finden Sie an dieser Entwicklung besonders spannend?
Für mich ist die aufregendste Entwicklung, dass tierisches Fleisch und andere tierische Produkte irgendwann durch „Clean Meat“ (Laborfleisch) und andere echte tierische Produkte, die durch Zellreplikation hergestellt werden, ersetzt werden. Die Herstellung von „Clean“-Produkten wie Rind-, Hühnchen-, und Entenfleisch sowie Eiweiß- und Milchprodukten, ohne dass dafür Tiere getötet werden müssen, ist in voller Arbeit. Im März wurde in den USA das Memphis Meat Brathähnchen produziert und Perfect Day will Ende des Jahres ihre „tierfreie“ Milch im einigen Shops haben. „Clean Meat“ wird unter viel besseren hygienischen und kontrollierbaren Bedingungen hergestellt, als konventionell produziertes Fleisch aus der Landwirtschaft. Dazu ist es noch umweltfreundlicher. Der Geschmack und die Nährstoffe können abgestimmt werden und das allerbeste ist, dass keine Tiere mehr getötet werden müssen.
Wir-retten-den-Planeten-Checkliste
- Essen Sie zumindest an einem Tag der Woche kein Fleisch und reduzieren Sie generell Ihren Fleischkonsum so weit wie möglich. Die Produktion von Fleisch ist die zweitgrößte Umweltgefahr für den Planeten, nach dem Einsatz von Fahrzeugen mit fossilen Treibstoffen, wie die „Union of Concerned Scientists“ bekannt gibt.
- Wasser sparen: Es gibt viele Arten, um den Verbrauch von Wasser in unserem Alltag zu reduzieren. Gießen Sie Ihren Garten früh am Morgen oder spät am Abend, drehen Sie beim Zähneputzen den Wasserhahn zu und denken Sie über die Anschaffung eines Regenwassertanks nach.
- Unterstützen Sie lokale, saisonale und fair produzierte Waren – vor allem auf Bauernmärkten können Sie derart hergestelltes Obst und Gemüse finden.
- Bauen Sie vegetarische Alternativen in Ihren Speiseplan ein und ersetzen Sie Tierprodukte mit pflanzlichen Alternativen – so oft wie möglich.
- Probieren Sie Alternativen zu tierischen Milchprodukten aus – eine Farm mit 2.500 Milchkühen wirft genauso viel Müll ab wie eine Stadt mit 411.000 Einwohnern! Es gibt heutzutage in jedem Supermarkt eine große Auswahl an pflanzenbasierenden Milchprodukten, wodurch für jeden Geschmack etwas dabei sein sollte.
- Lernen Sie zu kochen! Indem Sie selbst in der Küche kreativ werden, sich mit den einzelnen Zutaten vertraut machen und sich damit befassen, woher sie kommen und wie sie produziert werden, können Sie tierfreundliche Gerichte auf den Tisch zaubern.
- Entscheiden Sie sich für tierschutz-zertifizierte Produkte, die in nachhaltigen Landwirtschaftsbetrieben erstellt werden. Konventionell hergestellte Geflügel-, Schwein, Rind- oder Milchprodukte erfordern konzentrierte Tierfütterungsmaßnahmen, die einen deutlich höheren Karbon- und Wasserfußabdruck hinterlassen, als auf Weidenhaltung basierende Landwirtschaft. Außerdem wird dadurch die Nutzung von Antibiotika nötig und angrenzende Land- und Wasserflächen beschädigt.
- Verringern Sie Ihren ökologischen Fußabdruck durch Ihre Ernährung: Die „Food and Agriculture Organization“ der Vereinten Nationen hat erhoben, dass tierische Landwirtschaft für etwa 15 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich sind – das ist mehr, als die gesamte Transitindustrie verschuldet. Pflanzenbasierende Produkte hinterlassen einen viel geringeren ökologischen Fußabdruck als tierische Produkte.
- Bauen Sie Ihr eigenes Essen an: Dadurch vermeiden Sie einige der negativen Aspekte des Essenseinkaufs – wie zum Beispiel die Abhängigkeit von fossilen Treibstoffen, kanzerogenen Pestiziden, Düngemitteln und Monokulturen. Durch den Anbau Ihres eigenen Essen unterstützen Sie die biologische Vielfalt und die Tier- und Pflanzenwelt.
- Behalten Sie Ihre Essensabfälle im Auge und verwerten Sie Reste, um aus diesen neue, köstliche Mahlzeiten zu kreieren. Wenn Essen weggeworfen wird, wandern dadurch natürliche Ressourcen sowie tierische- und pflanzliche Produkte mit in den Müll.