Ferkel

Schwanzkupieren beim Ferkel

Trotz EU-Verbot werden bei circa 98 Prozent aller Ferkel in der EU die Ringelschwänze routinemäßig und ohne Betäubung abgetrennt

6.9.2024

Wussten Sie, dass Ferkeln der Ringelschwanz in den ersten Tagen nach ihrer Geburt abgetrennt wird – mit einem heißen Brenneisen? Dieses sogenannte „Schwanzkupieren“ wird ohne Betäubung durchgeführt und ist sehr schmerzhaft für die Tiere. In Deutschland werden bei 95 Prozent aller Schweine die Ringelschwänze kupiert.1 Obwohl die EU das routinemäßige Schwanzkupieren bereits seit 1994 verboten hat, hält sich Deutschland nicht an dieses Verbot – und in den meisten anderen EU-Ländern sieht es nicht viel besser aus. Wie ein EU-Audit in fünf EU-Ländern beweist, wird zu 98-100 Prozent kupiert.2 Die EU-Schweine-Richtline fordert jedoch, dass die Schweinehaltung so gestaltet wird, dass auf das Kupieren der Schwänze verzichtet werden kann. In Deutschland hält man sich nicht an dieses Vorgaben.

Warum werden Ringelschwänze kupiert?

In der industriellen Schweinehaltung werden die Tiere ihr gesamtes Leben auf engem Raum in dunklen, blanken Betonbuchten gehalten. Kot und Harn fallen durch die Betonspalten und verbleiben unter den Tieren, die den Gestank täglich 24 Stunden einatmen müssen. Bei dieser Haltung fehlt es an allem, was ein Schwein zum Wohlfühlen braucht: Stroh zum weichen Liegen, Heu oder Silage zur Beschäftigung und zum Fressen, Tageslicht, frische Luft und ausreichend Bewegungsfreiheit. Diese Art der Haltung ist nicht tiergerecht, denn Schweine sind sehr erkundungsfreudige Tiere, die unter natürlichen Bedingungen den größten Teil des Tages in der Erde nach Nahrung wühlen. Außerdem sind sie sehr reinliche Tiere, die niemals freiwillig dort schlafen würden, wo sie hingekotet haben.

Sind Schweine gestresst, entwickeln sie Verhaltensstörungen, wie beispielsweise das sogenannten „Schwanzbeißen“. Die Schweine beißen dabei am Ringelschwanz eines Artgenossen herum, bis dieser blutig wird. Das gebissene Tier kann in der engen Haltung kaum flüchten oder sich zurückziehen. Eine Folge können schlimme Infektionen sein, die bis ins Rückenmark ziehen und sogar tödliche Folgen haben können.

Einem Ferkel wird der Ringelschwanz ohne Betäubung kupiert

Ringelschwänze müssen dran bleiben

Anstatt den Tieren das zu geben, was sie brauchen, werden sie verstümmelt. Das ist inakzeptabel. Werden Schweine artgemäß gehalten, entwickeln sie in der Regel kein Schwanzbeißen. Somit ist auch kein Schwanzkupieren notwendig. Schwanzbeißen ist also ein guter Indikator dafür, ob dem Schwein etwas fehlt, ob es gestresst ist oder unterbeschäftigt. In artgemäßen Tierhaltungen, wie zum Beispiel Biobetrieben, sind Eingriffe wie das Schwanzkupieren generell verboten. Vorgeschrieben sind hier eingestreute Liegeflächen, Stroh, Silage oder Heu zum Fressen, ein Auslauf im Freien mit frischer Luft und mehr Bewegungsfläche als in der konventionellen Haltung.

Deutschland hält sich nicht an das EU-Verbot

Obwohl seit 1994 das routinemäßige Schwanzkupieren verboten ist, hält sich Deutschland nicht an dieses Verbot – und wird dafür nicht bestraft. Wie ist das möglich?

Deutschland ist das zweitgrößte Schweine-Produktionsland innerhalb der EU.3 Die enorme Wirtschaftskraft sowie das politische Interesse am Erhalt dieser Wirtschaftskraft haben dazu geführt, dass Verbote, die Schweine betreffen, nicht geahndet werden. Selbst serienmäßige Verstöße über Jahrzehnte, wie der Verstoß gegen das Verbot des routinemäßigen Schwanzkürzens, werden geduldet.

Eine Maßnahme, die die Europäische Kommission ergreifen könnte, wäre zum Beispiel ein EU-Vertragsverletzungsverfahren. Deutschland müsste dann zumindest eine hohe Geldstrafe zahlen. In jedem Fall müsste die EU viel energischer gegen Mitgliedstaaten wie Deutschland vorgehen. Würden die routinemäßigen Verstöße beim Schwanzkupieren zu Kürzungen der Fördermaßnahmen führen, wäre der Druck größer, auf das Kupieren zu verzichten und gleichzeitig die Schweinehaltung nach den Bedürfnissen der Tiere auszurichten.

Beispiel Niedersachsen

Um das Schwanzkupieren zumindest zu reduzieren, wird in Niedersachsen eine Prämie an alle Tierhalter ausgezahlt, die Schweine mit intakten Ringelschwänzen halten (die sogenannte Ringelschwanzprämie). Dies ist zwar eigentlich ein guter Schritt, jedoch werden Betrieben, die weiterhin Schwänze kürzen, keine Sanktionen erteilt. Zudem gilt die Ringelschwanzprämie nur für Niedersachsen und nicht bundesweit. Sie soll Ende 2024 auslaufen, Betriebe können jedoch weiterhin über das Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung  finanziell unterstützt werden, sofern sie zu einem gewissen Prozentsatz auf das Kupieren verzichten.4

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