Konfisziertes Tiger-Junges in Slovakien

Ein Zuhause für immer

Die Odyssee der Tigerbabys Sky und Snow endet glücklich in LIONSROCK

2.12.2024

Zusammengekauert, mit gesträubtem Fell und weit aufgerissenen Augen faucht die junge weiße Tigerin Snow das Rettungsteam von VIER PFOTEN an. Die Körpersprache der Großkatze ist eindeutig: „Haut ab!“ Dann schießt die Tierärztin mit einem Blasrohr einen Pfeil mit Narkosemittel in ihren Oberschenkel – und Snow schläft ein. Als sie erwacht, liegt sie in einer Transportbox. Neben ihr döst in einer weiteren Box ihre Schwester Sky. 

Verängstigt knurrt Snow die Menschen um sie herum an. Sie ahnt nicht, dass sie gemeinsam mit ihrer Schwester ihr Gehege im Zoo von Bojnice in der Slowakei für immer verlassen wird.

Illegale Zucht

Die beiden Tigerjungen haben in ihrem kurzen Leben schon viel durchgemacht. „Als wir sie zum ersten Mal sahen, wirkten sie schrecklich verängstigt. Sie lebten bei einer Privatperson im Nordwesten der Slowakei in der Region Trencin in einem sehr kleinen, betonierten Raum. 

Und sie waren ganz allein, ohne ihre Mutter, von der sie viel zu jung getrennt worden waren“, erinnert sich Projektmanagerin Ariane Aquilina von VIER PFOTEN. Die Slowakei hat sich in der EU intensiv für die Einführung des EU-Tiger-Leitfadens eingesetzt. Seit 2022 dürfen in dem Land Großkatzen von Privatpersonen nicht mehr gehalten und gezüchtet werden. Vorhandene Tiere unterlagen jedoch einer Ausnahmeregelung. So war die Haltung der Elterntiere in Trencin zwar legal, die Zucht der Tigerbabys aber nicht. 

Als die Behörden darauf aufmerksam wurden, beschlagnahmten sie die Jungtiere umgehend. Aber im Übergangsquartier im örtlichen Zoo Bojnice fehlte für eine dauerhafte Beherbergung der beiden der Platz. Auf der Suche nach einem artgemäßen Zuhause für Snow und Sky wandten sich die Behörden an VIER PFOTEN. „Wir haben zugesagt, eine nachhaltige Lösung zu finden. Um die beiden Tiger über Landesgrenzen hinweg zu transportieren, waren jedoch noch viele Papiere und Genehmigungen erforderlich“, berichtet Aquilina.

Damit das Rettungsteam die Tiger in Transportboxen unterbringen konnte, mussten die Großkatzen narkotisiert werden. Auf der Fahrt waren sie jedoch wieder wach: So ist es sicherer für ihre Gesundheit. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit leben die Tiger-Geschwister Sky und Snow in LIONSROCK heute wieder gemeinsam in einem Gehege.

Neue Heimat

Am 13. August ist es endlich so weit: Das Rettungsteam holt die beiden Tiger im Zoo von Bojnice ab und fährt sie zum Flughafen nach Wien. Am folgenden Tag endet die Odyssee von Snow und Sky schließlich glücklich im 13.000 Kilometer entfernten LIONSROCK, einem der Großkatzenschutzzentren von VIER PFOTEN. Hier, mitten in der südafrikanischen Savanne, finden die beiden Tigerjungen endlich ein artgemäßes Zuhause.

In einem riesigen, natürlich angelegten Gehege mit Badeteich und Kletterplattformen können die Großkatzen zum ersten Mal in ihrem Leben rennen, schwimmen, klettern und vieles entdecken. Um ihre Geschicklichkeit zu fördern, erhalten sie jeden Tag ein neues sogenanntes Enrichment: zum Beispiel mit Stroh gefüllte und mit Parfum beduftete Jutebeutel, Pappkartons oder große Hartplastikbälle mit Löchern, aus denen sie Trockenfutter herausfischen können. Die professionelle Tierpflege und eine spezielle Beschäftigungstherapie zeigen bereits nach wenigen Wochen erste Erfolge.

LIONSROCK ist mit einer Fläche von 1.250 Hektar das größte der 13 Schutzzentren von VIER PFOTEN.

LIONSROCK ist mit einer Fläche von 1.250 Hektar das größte der 13 Schutzzentren von VIER PFOTEN.

»Die Tiger sind selbstbewusster geworden und weniger schreckhaft. Wenn sich Menschen ihrem Gehege nähern, weichen sie nicht mehr ängstlich zurück, sondern beobachten die Neuankömmlinge neugierig.«

IVANA CINKOVA, Cheftierpflegerin LIONSROCK

Inzucht

Obwohl in LIONSROCK über hundert weitere gerettete Tiger und Löwen leben, fällt Snow mit ihrer weißen Fellfarbe im Schutzzentrum auf. „Entgegen der weitverbreiteten Annahme sind Tiger mit weißem Fell keine eigene Spezies“, erklärt Cinkova. Ursache für die Färbung ist ein seltenes rezessives Gen. „Ihre Seltenheit macht weiße Großkatzen zu besonders gefragten und teuren Tieren im Handel. Sie stammen meist aus Inzucht und leiden oft ihr Leben lang an schweren chronischen Krankheiten.“ 

Der Vater von Snow und Sky, ein weißer Tiger, hat zum Beispiel eine chronische Nierenerkrankung, die sehr wahrscheinlich durch Inzucht verursacht wurde. Snow zeigte bisher keine Symptome. Das heißt aber nicht, dass sich keine entwickeln werden. Falls es dazu kommen sollte, ist die Tigerin in LIONSROCK genau am richtigen Ort: Hier wird sie ihr Leben lang die beste Pflege und medizinische Versorgung erhalten. Dank eines engmaschigen Überwachungssystems werden Erkrankungen oder Verhaltensänderungen schnell erkannt und das Team kann direkt darauf reagieren. Die Tierklinik auf dem Gelände des Schutzzentrums ist gut ausgestattet, hier werden sogar Ultraschall- und Röntgenaufnahmen vorgenommen.

VIER PFOTEN

 lehnt es grundsätzlich ab, dass Wildtiere ihr Leben unnötig in Gefangenschaft verbringen müssen.

Kein Nachwuchs

Jungtiere wie Snow und Sky sind eine Seltenheit in LIONSROCK. Denn im Schutzzentrum wird ausdrücklich nicht gezüchtet. VIER PFOTEN lehnt es grundsätzlich ab, dass Wildtiere ihr Leben unnötig in Gefangenschaft verbringen müssen. „Es ist wunderbar, dass wir Snow und Sky retten konnten. Doch auch LIONSROCK ist nicht die Wildnis. Die Mehrheit der Großkatzen, die in Gefangenschaft geboren werden, können nicht wieder ausgewildert werden. Umso wichtiger ist es, dass sich das Schicksal der Tigerjungen nicht endlos wiederholt“, hält Aquilina fest.

Damit die Eltern von Snow und Sky nicht erneut für die illegale Zucht genutzt werden, hat ein tierärztliches Team von VIER PFOTEN gemeinsam mit den Expert:innen der Veterinärmedizinischen Hochschule Wien alle männlichen Tiere in der privaten Einrichtung sterilisiert. „Das war eine unserer Bedingungen dafür, dass wir die Tigerbabys aufnehmen”, sagt Aquilina.

PETITION UNTERSCHREIBEN

Das immense Leid von Großkatzen in Gefangenschaft kann nur durch ein EU-weites Verbot der Zucht, der Haltung und des Handels mit Tigern und ihren Körperteilen beendet werden.

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