Pelzfreies Europa
Fünf Wildtiere aus polnischer Farm gerettet
Kaum hat der Kameramann im Gehege sein Stativ aufgebaut, kommen die zwei Füchsinnen angelaufen, zerren an den Kabeln seiner Ausrüstung und ziehen ihm die Schnürsenkel auf. „Unsere neuen Füchse Mala und Skadi sind sehr neugierig und überhaupt nicht ängstlich.
Alles, was sie entdecken, wird sofort genauestens untersucht“, lächelt Biologin Eva Lindenschmidt von der TIERART Wildtierstation in Maßweiler in Rheinland-Pfalz.
Artgemäß
Die einjährigen Tiere kamen im vergangenen Oktober in die Obhut von VIER PFOTEN, zusammen mit der älteren Polarfüchsin Samara und den beiden Marderhunden Emi und Asami. Alle fünf wurden im letzten Jahr aus einer Pelzfarm in Polen gerettet und können nun zum ersten Mal ihre natürlichen Bedürfnisse ausleben. In ihren Eingewöhnungsgehegen finden sie Versteckmöglichkeiten und Höhlen; im Erdboden können sie Futter vergraben und nach Herzenslust buddeln.
Traurige Realität
Die drei Füchse und die beiden Marderhunde sind dem sicheren Tod entronnen. Doch Millionen anderer Tiere wurden im Herbst in europäischen Pelzfarmen grausam getötet. Filmmaterial aus Farmen in Polen und anderen Ländern, das VIER PFOTEN vorliegt, belegt aufs Neue, in welchem Elend die Tiere ihr kurzes Leben verbringen.
Reihe an Reihe stehen die Drahtkäfige. Stereotyp bewegen sich die Tiere darin hin und her oder kauern ängstlich in einer Ecke. Sie haben keine Beschäftigung und kaum Platz. Der Gitterboden schneidet in ihre empfindlichen Pfoten. Viele Tiere verletzen sich selbst, leiden unter offenen Wunden und Krankheiten. Es gibt kein Entrinnen.
Sie verlassen ihr Gefängnis nur, um getötet zu werden. Das geschieht meist im Herbst. Dann sind die im Frühjahr geborenen Tiere mit etwa acht Monaten alt genug für das Geschäft mit ihrem Pelz.
Sorgenkind
Von den Wildtieren, die aus der Pelzfarm gerettet wurden, ist die Polarfüchsin Samara das Sorgenkind. Schon bei ihrer Ankunft konnte sie sehr schlecht laufen. Die Tierärztin schätzt ihr Alter auf fünf Jahre. Sie diagnostiziert einen alten Bandscheibenvorfall sowie Verknöcherungen der Wirbelsäule, außerdem zeigt das Röntgenbild eine Schädigung des Hüftgelenks. Die jahrelange Haltung im engen Käfig und der Mangel an Bewegung haben schwere Spuren hinterlassen. „Es macht uns unglaublich traurig und wütend, dass diese wundervolle Füchsin offenbar viele Jahre Leid ertragen musste“, sagt Lindenschmidt. „Sie wurde höchstwahrscheinlich zur Zucht missbraucht, denn auf einer Pelzfarm leben nur die Zuchttiere länger als ein Jahr.“ Samara bekommt jetzt Schmerzmittel und verschiedene Präparate für die Knochen und Gelenke, damit sie ein möglichst unbeschwertes Leben führen kann.
EU-weites Verbot gefordert
Seit über 30 Jahren setzt sich VIER PFOTEN für ein Ende der Pelztierzucht ein. Trotz starker Widerstände wurde schon viel erreicht. Mehr als die Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten hat die Pelztierzucht verboten oder so streng reguliert, dass sie sich nicht mehr lohnt. Aber in Ländern wie Polen oder Finnland leiden immer noch Millionen Füchse, Nerze und Marderhunde in engen Käfigen für eine Mode, die fast niemand mehr will.
Jetzt bietet sich endlich die Chance, die Zucht von Pelztieren und den Handel mit Pelzprodukten in der gesamten EU zu verbieten. Dafür hat VIER PFOTEN gemeinsam mit 80 Organisationen die Europäische Bürgerinitiative „Pelzfreies Europa“ ins Leben gerufen.
Ein gutes Leben
Ebenso wichtig wie die politische Arbeit ist VIER PFOTEN die direkte Tierhilfe. Während in Berlin und Brüssel um ein Verbot gerungen wird, erkunden in TIERART die fünf ehemaligen „Pelztiere“ ihr neues Leben. Sie sind sehr neugierig und verspielt, sie graben, verstecken sich und leben schon nach wenigen Tagen wie selbstverständlich ihre natürlichen Verhaltensweisen aus.
Fellerzeugung von Nerzen, Füchsen und Marderhunden auf Pelzfarmen sinkt
2018 | 2021 | |
Felle in der EU | 38 Millionen | 11 Millionen |
Felle weltweit | 98 Millionen | 43 Millionen |
Im Laufe des Jahres werden sie in ein neues, weitläufiges Gehege mit Teich und Bachlauf umziehen. Eine angegliederte Dauerausstellung wird die Besucher:innen der Station über die Pelztierzucht aufklären und zeigen, wie diese Tiere vorher leben mussten.