Hitzewelle: Leiden und Sterben auf LKW und Schiffen
VIER PFOTEN fordert Stopp quälender Tiertransporte
Hamburg, 15. Juli 2021 – Aktuell haben wir vielerorts in Deutschland Temperaturen nahe der 30-Grad-Marke, gleichzeitig wird für Südeuropa eine Rekord-Hitzewelle erwartet. Für die Tiere, die innerhalb der Bundesrepublik, der EU und in weit entfernte Drittstaaten auf LKW und Schiffen transportiert werden, ist das besonders schlimm. Rinder, Schweine, Schafe, Geflügel, Kaninchen und andere sogenannte Nutztiere leiden unter den hohen Temperaturen. Dennoch rollen weiter Tiertransporter innerhalb Deutschlands und deutsche Veterinär:innen genehmigen immer wieder Hitze-Transporte über Länder wie Spanien bis nach Marokko oder Ägypten. Hier herrschen Temperaturen von knapp 40 Grad. VIER PFOTEN fordert, Transporte sofort auszusetzen, sobald die Außentemperaturen mehr als 25 Grad betragen. Darüber hinaus bittet die internationale Stiftung für Tierschutz die Bevölkerung um erhöhte Aufmerksamkeit und darum, während der Hitze auffällige Transporter bei der Polizei zu melden.
Transporte trotz Hitze ohne Rücksicht auf Verluste
Tiertransporte innerhalb Deutschlands werden sogar bei über 30 Grad durchgeführt. Dies ist nach der deutschen Transportverordnung für Transporte unter acht Stunden noch immer erlaubt. Das endet für die Tiere oft tödlich. Denn durch die Körperwärme ist es in den Fahrzeugen in der Regel immer wärmer als in der Umgebung – vor allem für die Tiere, die in der Mitte des Fahrzeugs eingepfercht sind. Geflügel und Schweine werden in größtenteils nicht klimatisierten LKW in weit entfernte Länder auch außerhalb der EU gebracht.
300 quälende Stunden für Rinder
Rinder werden auf ebenfalls nicht klimatisierten LKW und oftmals auch auf schrottreifen, vollkommen ungeeigneten Schiffen tage- bis wochenlang transportiert. Eng eingepfercht, stehen diese auf Ladeflächen oder auf überfüllten ehemaligen Autofähren. Die fühlenden Lebewesen leiden unter unvorstellbarem Durst. Bis zu 300 Stunden quälen sich die Tiere in sengender Hitze: Eine einzige Tortur, die die Transporte schnell zur Höllenfahrt macht.
Regelungen werden missachtet
Laut EU-Verordnung dürfen Langstreckentransporte (Transporte über acht Stunden) nicht genehmigt werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass 30 Grad oder mehr im Inneren der LKW auf der Strecke zu erwarten sind. Die bei Langstreckentransporten verpflichtenden Ventilatoren in den LKW können im besten Fall die warme Luft an einigen Stellen etwas herumwirbeln, nicht aber für eine Abkühlung sorgen. Ab vorhergesagten Außentemperaturen von 25 Grad sollten deswegen Tiertransporte nicht mehr durchgeführt, bzw. genehmigt werden. Dies muss für die gesamte Strecke inklusive Zielort gelten. Und damit auch für Transporte, die von Deutschland mit seinen derzeit schon sehr hohen Temperaturen in noch heißere Zielgebiete wie Spanien und Enddestinationen wie Marokko, Türkei oder den Libanon gehen. Dennoch finden diese Fahrten mangels regelmäßiger Kontrollen und oft lax abfertigender Veterinär:innen viel zu häufig statt – dabei sterben immer wieder zahlreiche Tiere aufgrund von Hitzestress und Erschöpfung.
Tödliche Transporte: Schweine und Geflügel können nicht schwitzen
Dass bei Extremwetterbedingungen nicht nur Langstreckentransporte in EU- oder Drittstaaten, sondern auch innerdeutsche Routen lebensgefährlich für die Tiere sind, liegt an der schnell entstehenden Hitze:
„Kommt ein Tiertransport zum Beispiel wegen Stau oder Wartezeiten zum Stehen, steigen die Temperaturen im Fahrzeug schnell um mehrere Grad an. Hitzestress kann sehr schnell zum Herz-Kreislaufkollaps und damit auch zum Tod führen. Schweine können nicht schwitzen und regulieren ihre Körpertemperatur in der Natur durch Wälzen und Suhlen, was auf Transporten unmöglich ist. Sie leiden dadurch schnell an Hitzestress, oftmals mit Todesfolge. Auch Geflügeltiere können nicht schwitzen. Bei Hitzestress ‘hecheln‘ diese durch den geöffneten Schnabel. Sie spreizen normalerweise die Flügel, um Wärme abzugeben – wofür aber im engen Transporter kein Platz ist. Nach den derzeit gültigen Vorschriften ist es erlaubt, die Tiere bis zu 12 Stunden ohne Wasser zu transportieren und zusätzlich noch bis zu zwölf Stunden am Schlachthof im LKW zu belassen. Dabei werden sie auf mehreren Ebenen übereinander in Kisten eingepfercht. Einzelne Tiere können so weder versorgt noch im Notfall gerettet werden. Immer wieder sterben zahlreiche Tiere auf dem Weg zum Schlachthof oder in der Wartezeit direkt davor. Aber auch für Rinder ist ein Transport bei Hitze eine Qual. Rinder haben eine Wohlfühltemperatur von 15 Grad. Wir wissen, dass sie ab 25 Grad auf einem Transporter leiden. Die Symptome bei Rindern unter Hitzestress zeigen sich durch Muskelzittern, -krämpfe, Atemlähmung oder sogar Kreislaufversagen, bis hin zum Tod“, sagt VIER PFOTEN Nutztierexpertin Ina Müller-Arnke.
Tiere leiden unter der Hitze: Halten Sie die Augen offen
VIER PFOTEN appelliert an die Bevölkerung, die Augen offenzuhalten und Lebendtiertransporter bei der Polizei oder Feuerwehr zu melden, wenn diese bei großer Hitze unterwegs sind, im Stau stehen oder einfach abgestellt wurden. „Eine rechtzeitige Abkühlung kann Leben retten und das Leid der Tiere reduzieren“, so Ina Müller-Arnke.
Forderungen von VIER PFOTEN
Ein bundes- und EU-weites Verbot von Langstreckentransporten und Transporten lebender Tiere in Drittländer.
Bundes- und EU-weit sollte außerdem gelten:
- Kein Transport von nicht abgesetzten Tieren, die noch auf Milchnahrung angewiesen sind
- Maximal 4 Stunden für alle Tiere innerhalb Deutschlands sowie generell für Geflügel und Kaninchen
- Maximal 8 Stunden für alle anderen Tierarten unabhängig vom Zielland
- Verbot des Transports lebender Tiere auf Schiffen
- Verbot des Transports bei zu erwartenden Außentemperaturen von über 25°C und unter 5°C
- Transport von Fleisch und Zuchtsamen statt lebender Tiere
- Reduktion der Tierbestände und Abkehr von der Exportorientierung
Weitere Informationen
Jährlich werden über 1,5 Milliarden Geflügeltiere und über 49 Millionen lebende Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und Pferde grenzüberschreitend innerhalb der EU sowie aus der EU in Drittstaaten transportiert. 2019 transportierte Deutschland ca. 315 Millionen Tiere grenzüberschreitend innerhalb der EU und exportierte 8,9 Millionen Tiere in Nicht-EU-länder. Das betrifft vor allem viele Eintagsküken, die in Länder wie Russland, Ukraine, Mexiko, Türkei, Belarus gebracht werden, häufig auch mit dem Flugzeug. Aber es betrifft vor allem auch deutsche Zuchtrindertransporte, die per LKW und oft auch per Schiff in extrem weit entfernte Drittstaaten verfrachtet werden: 2020 wurden mehr als 41.000 Rinder exportiert, zum großen Teil in sehr heiße Länder wie Marokko, Algerien, Ägypten, Türkei, Eritrea und Iran. Dort ist die Wasser- und Futterversorgung der Tiere nicht sichergestellt. Zudem gelten diese und andere Drittstaaten als tierschutzrechtliche Hochrisikostaaten, das heißt der Schutz der Tiere kann nicht annähernd gewährleistet werden.
Oliver Windhorst
Pressesprecher für Tiere in der Landwirtschaft+49 151 183 515 30
VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz
Lübecker Straße 128, 22087 Hamburg
VIER PFOTEN ist die weltweite Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichem Einfluss, die Leiden aufdeckt, Tiere in Not rettet und sie schützt. Gegründet 1988 in Wien von Heli Dungler und Freunden, setzt sich die Organisation für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Empathie und Verständnis begegnen. Die nachhaltigen Kampagnen und Projekte von VIER PFOTEN konzentrieren sich auf Haustiere wie streunende Hunde und Katzen, Nutztiere und Wildtiere - wie Bären, Großkatzen und Orang-Utans - in unangemessener Haltung sowie in Katastrophen- und Konfliktgebieten. Mit Büros in Australien, Österreich, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Deutschland, Kosovo, den Niederlanden, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, Großbritannien, den USA und Vietnam sowie Auffangstationen für gerettete Tiere in elf Ländern bietet VIER PFOTEN schnelle Hilfe und langfristige Lösungen.