Alternativen zur chirurgischen Ferkelkastration
Welche Möglichkeiten es gibt, auf die Kastration zu verzichten
Die chirurgische Kastration männlicher Ferkel in der Schweinehaltung (die sogenannte Ferkelkastration) wird oft als alternativlos dargestellt. Begründet wird dieser Eingriff meist mit dem Risiko des sogenannten Ebergeruchs. Ebergeruch tritt jedoch äußerst selten und nur beim Erhitzen des Fleisches auf. Außerdem gibt es mehrere Alternativen. Neben der Ebermast gibt es die Impfung gegen Ebergeruch (Immunokastration).
Alternativen zur betäubungslosen Kastration
Ebermast
Bei der Ebermast (oder Jungebermast) wachsen die männlichen Schweine heran, ohne kastriert zu werden. Die Tiere sind lebhafter – es kann zu vermehrter Aktivität im Stall kommen. Die Haltungsbedingungen müssen deshalb den besonderen Bedürfnissen der Eber angepasst werden. Ein gutes Management ist erforderlich. In Großbritannien, Irland und einigen anderen Ländern werden traditionell flächendeckend Eber gezüchtet, die nicht kastriert werden.
Immunokastration – Impfung gegen Ebergeruch
Hierbei erfolgt eine zwei- bis dreimalige Impfung, die die Hodenaktivität der Eber unterdrückt. Das Wachstum der Hoden wird verringert und kein Ebergeruch entsteht. Der Impfstoff wird mit einem Sicherheitsinjektor appliziert. Eine unabsichtliche Selbst-Injektion, mit der auch Anwender gefährdet werden könnten, ist somit so gut wie ausgeschlossen. Die Immunokastration ist keine Hormonbehandlung und das Schweinefleisch daher nicht hormonhaltig. Dies ist für Verbraucherinnen und Verbraucher wichtig zu wissen.
Länder, die die Impfung gegen Ebergeruch bereits seit 1998 erfolgreich einsetzen, sind Neuseeland und Australien. Breitflächig wird sie seit 2005 auch in Brasilien durchgeführt. In der Schweiz ist das Präparat seit 2007 als Impfstoff zugelassen, in der EU seit 2009. Es kommt vor allem in Belgien zum Einsatz. In Deutschland haben einige wenige Betriebe die Methode ausprobiert.
Alternativen, wenn chirurgisch kastriert wird – nur unter Vollnarkose akzeptabel
Wenn auf die chirurgische Kastration nicht verzichtet werden kann, ist eine chirurgische Betäubung mit Schmerzausschaltung beziehungsweise Anästhesie mittels Inhalations- oder Injektionsnarkose durch eine Veterinärin oder einen Veterinär und post-operativer Schmerzbehandlung übergangsweise akzeptabel.
Inhalationsnarkose (Isofluran) und Schmerzbehandlung
Bei dieser Methode werden die Ferkel durch eine Inhalationsmaske mit dem Betäubungsmittel Isofluran anästhesiert. In Deutschland und der Schweiz dürfen, statt einer Tierärztin oder eines Tierarztes, auch geschulte Landwirtinnen und Landwirte diese Betäubungsform bei Ferkeln anwenden, was zu Problemen führen kann. Im Vorfeld muss in einem zeitlichen Abstand eine Schmerzmittelgabe erfolgen, die nach dem Aufwachen die Nachschmerzen des Eingriffs lindert. Die Bewusstseinsausschaltung durch Isofluran beginnt nach spätestens einer Minute.
Wenn Betriebe nicht auf die chirurgische Kastration verzichten wollen oder können, stellt diese Betäubungsmethode aus Tierschutzsicht nur dann eine akzeptable Alternative dar, wenn sie von einer Tierärztin oder einem Tierarzt vorgenommen wird. Wichtig ist, dass die Betäubungsmasken dem Alter der Tiere entsprechend angepasst sind, damit die erforderliche Betäubungstiefe erreicht werden kann. Auch sollten die Tiere nicht kopfüber in die Inhalationsmaske eingebracht werden, sondern in Normalstellung (Beine nach unten) und erst auf den Rücken gedreht werden, wenn die Tiere betäubt sind.
Injektionsvollnarkose – eine akzeptable Alternative
Bei der Injektionsnarkose wird dem Ferkel ein Gemisch von Ketamin und Azaperon injiziert. Die Applikation muss von einer Tierärztin oder einem Tierarzt durchgeführt werden. Die Injektionsnarkose kann intravenös oder intramuskulär (in den Muskel) verabreicht werden. In jedem Fall sollten die Ferkel für diese Methode mindestens 14 bis 21 Tage alt sein, damit eine eventuell länger andauernde Nachschlaf- und Aufwachphase nicht zu gesundheitlichen Problemen führt. Sind die Ferkel zu jung, kann eine zu lange Nachschlafphase dazu führen, dass sie an Gewicht verlieren, weil sie in dieser Zeit nicht an der Muttersau trinken.
Bei dieser Methode ist es jedoch nicht notwendig, die Ferkel in der ersten Woche zu kastrieren, sodass die Landwirtinnen und Landwirte warten können, bis die Ferkel an Gewicht zugenommen haben und fitter sind. Um nach dem Eingriff wirksam zu sein, müssen Schmerzmittel verabreicht werden, da die Betäubung nicht schmerzlindernd ist.
Nicht akzeptable Betäubungsmethoden
- Inhalationsnarkose Mittel CO2
Die CO2-Narkose ist aus Tierschutzgründen abzulehnen. Der Grund liegt in der äußerst belastenden Einleitungsphase, denn CO2 ruft erstickungsähnliche Anfälle, Störungen der Atmung und negative Reaktionen der Tiere hervor. Hinzu kommen der unsichere Sitz der Narkosegeräte und die relativ hohe Mortalitätsrate von Tieren. Die CO2-Betäubung wird zum Teil in den Niederlanden angewendet. Bei importierten Ferkeln aus den Niederlanden ist es also möglich, dass diese Tiere mit CO2-Betäubung kastriert wurden. Der überwiegende Teil der niederländischen Schweine wird als Eber gemästet. In Deutschland ist die Nachfrage nach chirurgisch kastrierten Ferkeln jedoch nach wie vor hoch. - Lokalanästhesie
Bei der Lokalanästhesie wird etwa zehn Minuten vor dem Eingriff ein Lokalanästhetikum in beide Hoden und in den Samenstrang injiziert. Dazu sind häufig mehrere Injektionen notwendig, die äußerst schmerzhaft und belastend für die Tiere sind. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die Tiere bei dem Nadelstich in die Hoden in ähnlichem Maße Schmerzen erleiden, wie bei einer betäubungslosen Kastration. Die Wirkung der Schmerzminderung durch das Mittel wird zudem als nicht ausreichend für die Hodenentfernung bewertet. Die Lokalanästhesie wird zum Teil in Dänemark praktiziert, zum Teil werden dänische Ferkel aber auch ohne Betäubung kastriert. Deutschland importiert zahlreiche Ferkel aus Dänemark. Eine gesetzliche Pflicht zur Betäubung importierter Ferkel gibt es nicht. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass Ferkel, die aus anderen Ländern importiert werden, nicht nach deutschem Standard betäubt wurden. - Ausschließliche Anwendung von Schmerzmitteln
Eine Kastration ohne Betäubung, nur mit Schmerzmittelgabe ist aus Tierschutzsicht nicht akzeptabel, da der größte Schmerz während des Eingriffs nicht ausgeschaltet wird.
Vier Pfoten fordert
- Ein generelles EU-weites Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration.
- Förderung tierschutzgerechter Alternativen (Ebermast, Immunokastration).
- Chirurgische Kastration nur in Ausnahmen oder als Übergang und nur mit Betäubung unter Injektionsnarkose oder Isoflurannarkose durch die Tierärztin oder den Tierarzt sowie post-operativer Schmerzmittelgabe.
- Kein Import von Ferkeln, die mit nicht tierschutzgerechten Alternativen wie beispielsweise der Lokalanästhesie, CO2 oder gar nicht betäubt wurden.
Quellenverweis